Die Schweiz befindet sich im Ausnahmezustand. Die Post durchlebt aufgrund der vielen Onlinebestellungen einen regelrechten Paketstau, weshalb den 100 grössten Onlineshops der Schweiz ein Paket-Kontingent auferlegt wurde. Dieses Kontingent gilt nun schon seit einer Woche, aber ist diese Massnahme wirklich der richtige Weg?
Die anhaltende Coronakrise fordert Menschen und auch Unternehmen in einem noch nie dagewesenen Ausmass und es entstehen Herausforderungen, die wir uns davor nicht hätten ausmalen können. Eine dieser Herausforderungen ergibt sich im Onlinehandel, denn da spielt sich zur Zeit so einiges ab.
Die Menschen müssen zuhause bleiben und können in den stationären Läden nur noch die allerwichtigsten Sachen kaufen. Möbelhäuser, Bücherläden, Modegeschäfte und alle anderen Geschäfte, die momentan nicht essentiell sind, müssen geschlossen bleiben. Das führt dazu, dass immer mehr Leute im Internet einkaufen und sich die Ware zuschicken lassen müssen.
Die Paketmengen sind also in den vergangenen Wochen rapide angestiegen.
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Nun soll ein Paket-Kontingent die Lage entschärfen. Aber ist das wirklich der wichtige Weg?
Warum ein Paket-Kontingent für die Onlinehändler?
Die Post versinkt in einer Flut an Paketen und kommt mit all den Bestellungen nicht mehr nach. Da sich die Post nicht mehr in der Lage sah, die Paketflut zu bewältigen, wurden für diese Woche harte Massnahmen ergriffen.
Die Menschen sind zuhause und müssen alles aus dem Non-Food Bereich über den Onlineversand bestellen. Somit stieg und steigt die Menge an verschickten Päckli immer noch weiter an. Am Donnerstag letzter Woche wurden deshalb die 100 grössten Paketkunden der Post darüber informiert, dass es zu einer Notfallmassnahme kommt. Für jeden Händler gibt es ab dieser Woche ein Mengenkontingent an Paketen.
Das bedeutet, dass die Onlinehändler nicht mehr all Ihre Pakete der Post übergeben können. Sie sind auf andere Lösungen angewiesen, was erstmal zu Verzögerungen in der Lieferung führt.
Auch bei der Post gelten dieser Tage nämlich strenge Schutzmassnahmen. Nur so kann die Gesundheit des Personals während dieser Krise gewährleistet werden. Durch diese Schutzmassnahmen ist man vor allem in der Paketsortierung limitiert, was die Produktivität der Post stark drosselt.
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Mit solch grossen Mengen an Paketen ist man jetzt schlicht überfordert, denn sonst liefert man nur in der Weihnachtszeit vergleichbare Mengen an Paketen aus. Nun muss man die ganze Menge mit erheblich weniger Potenzial meistern. Da nun die Produktivität aufgrund der Corona Schutzmassnahmen gezwungenermassen gedrosselt wurde, kann man mit so einer Paketflut schlicht nicht mehr mithalten.
Der Kapazitätsengpass liegt nicht in der Zustellung der Pakete, sondern in den Sortierzentren, die momentan rund um die Uhr Vollgas geben müssen. Die Sortierzentren müssen also entlastet werden.
Die Suche nach möglichen Massnahmen
Fakt ist, dass eine andere Lösung her muss. Ein Paket-Kontingent für die 100 grössten Onlinehändler entlastet zwar die Post, aber es kommt so zu immer mehr Lieferverzögerungen. Die Coronakrise fordert die Schweiz dazu auf, nach neuen Lösungen zu suchen und einander zu helfen.
Vorgestern sind die wichtigsten Akteure in dieser Angelegenheit zusammengekommen, um gemeinsam nach Lösungen und Massnahmen zu suchen, wie es in einer Medienmitteilung der Post hiess.
Es ist uns gemeinsam gelungen, mit weiteren Massnahmen auf die Paketflut zu reagieren. Allerdings ist es damit nicht getan. Es stehen alle in der Verantwortung, die Versorgungslage der Schweiz zu erhalten.
An erster stelle soll die Entlastung der Paketzentren in der Schweiz stehen. Aufgrund der Vorgaben zum Social Distancing kann die Anzahl an Mitarbeitern in den Sortierzentren nicht einfach so erhöht werden. Aufgrund dieser Tatsache, haben die anwesenden Partner am runden Tisch einige Massnahmen ausgearbeitet:
- Kleinere Pakete sollen künftig vermehrt über die Logistikkette des Briefversandes verarbeitet werden. Hier ist die Kapazität etwas grösser, denn wie im Blogpost zum Boom im Schweizer Onlinehandel schon gezeigt wurde, geht die Anzahl der Bestellungen von Kleinwaren aus China etwas zurück.
- Einzelne Schweizer Paketdienstleister und Logistiker stellen Sortier- und Transportkapazitäten zur Verfügung und helfen der Post so, das Paketvolumen besser zu meistern.
- Click&Collect Bestellungen: Click&Collect ist bei vielen Händlern bereits jetzt eine Option beim Bestellen von Waren. Dabei sollen die Artikel, die online bestellt werden, in einer offenen Verkaufsstelle des Onlineshops oder bei der Post abgeholt werden.
- Onlinehändler übernehmen selbst einen Teil der Vorsortierung für die Post und entlasten so die Sortierzentren.
- Die aktuelle Lage erfordert, dass sich die beteiligten Akteure eng miteinander abstimmen, damit die Steuerung der Mengen noch sichergestellt werden kann.
Ob sich die Lage weiter zuspitzen wird oder ob es bald zu einer Entspannung kommt, hängt vom weiteren Verlauf der Pandemie ab. Werden die Schutzmassnahmen in der nächsten Zeit etwas gelockert, könnten die besprochenen Massnahmen ausreichend sein, um die Lage ein wenig zu entschärfen. Allerdings steht es derzeit noch in den Sternen, ob die Schutzmassnahmen in den nächsten Wochen bereits gelockert werden.
Dann dürften andere Ansätze gefordert sein, um die Post zu entlasten und die Versorgung der Schweiz weiterhin zu gewährleisten.
Alternative Lösungen: Private Liefernetzwerke
Um die Paketversorgung der Schweiz auch weiterhin aufrecht erhalten zu können und die Post zu entlasten gibt es neben den oben genannten Massnahmen auch andere Lösungsansätze.
Versandunternehmen wie Annanow oder Luckabox beweisen gerade jetzt in der Coronakrise ihre Leistungsfähigkeit und springen mit ihren Liefernetzwerken in die Bresche. Solche Unternehmen verzeichnen derzeit einen enormen Anstieg der Lieferungen und zeigen sich zurecht als eine gute Alternative zur Post.
Bildquelle: Annanow
Das Fintech-Startup Annanow wurde vor drei Jahren gegründet und verfügt heute bereits schweizweit über das grösste cloudbasierte Liefernetzwerk. Aufgrund der gedrosselten Kapazitäten der Post setzen grosse Händler wie Migros, Jumbo oder Manor bereits jetzt auf das Liefernetzwerk von Annanow.
Seit Wochen steigt die Anzahl an Lieferungen immer weiter an und bereits jetzt verzeichnet das Unternehmen Annanow täglich 5’000 Pakete, die zusätzlich zum täglichen Geschäft dazukommen. Die Kapazitäten von Annanow seien aber noch lange nicht erreicht.
Der Gründer, Daniel Gradenegger, stellt gegenüber Moneycab fest:
In dieser Krise zeigt sich, wie anfällig zentralisierte Strukturen sind. Dass ein Staatsbetrieb wie die Post derart an seine Grenzen kommt, ist symptomatisch dafür. Wir setzen deshalb seit unserer Gründung auf ein cloudbasiertes und dezentrales Liefernetzwerk, welches sich nun während dieser Belastungsprobe bewährt.
Solche dezentralen Liefernetzwerke bieten also in der aktuellen Lage grosse Chancen und enorme Kapazitäten. Die Lieferungen, die von der Post nicht mehr bewältigt werden können, können von genau solchen Unternehmen aufgefangen werden. Wenn also die Paketmengen auch in den nächsten Wochen so hoch bleiben oder sogar weiterhin zunehmen, werden die Massnahmen, die mit der Post ausgehandelt wurden, nicht ausreichen.
In dieser Krise zeigt sich also ziemlich deutlich: Um die Lieferengpässe zu meistern und die Schweiz weiterhin mit Paketen zu beliefern, ist es Zeit für neue Lösungen abseits der starren und zentralen Strukturen.